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Hermann Sudermann


Gedenkschrift - 70 Jahre LO-NRW

70 Jahre LO Landesgr. NRW
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Berichte vom
Deutschlandtreffen der Ostpreußen
−  Ostpreußen bleibt  −

Messe Berlin - 10. und 11. Mai 2008


Auszug aus der Ansprache Wilhelm von Gottbergs,
des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen (LO)

»Ostpreußen bleibt«
Rede des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen,
Wilhelm v. Gottberg, beim Deutschlandtreffen in Berlin

Genau 63 Jahre nach Beginn von Flucht und Vertreibung und 60 Jahre nach Gründung der Landsmannschaft Ostpreußen (LO) hat der Bundesvorstand der LO Sie, verehrte Damen und Herren und liebe Landsleute, zum 19. Deutschlandtreffen der Ostpreußen hier nach Berlin auf die Messe eingeladen.

Wir sind die einzige große ostdeutsche Landsmannschaft, die nun schon zum zweiten Mal ihr bundesweites Begegnungstreffen in der deutschen Hauptstadt durchführt. Rund sechs Jahrzehnte nach Flucht und der gewaltsamen Massenaustreibung aus unserer einzigartigen Heimat Ostpreußen folgen immer noch tausende Landsleute, nachgeborene Ostpreußen und die Freunde unserer Heimat der Einladung des Bundesvorstandes der LO. Bedarf es eines stärkeren Beweises, daß die Ostpreußen eine Schicksalsgemeinschaft sind? Wir sind hier, um für das Recht auf die Heimat, für die Ächtung von Vertreibungen und für eine ansatzweise Heilung des Vertreibungsunrechtes die Stimme zu erheben.

Unsere Treue zur angestammten Heimat gilt nicht einem schwärmerischen Wolkenkuckucksheim, sondern sie gilt Ostpreußen und seinen Regionen, den Städten und Dörfern, die unsere Geburtsstätten sind. Gerade weil wir Flucht, Vertreibung und Zwangsdeportation haben erleiden müssen, sind wir prädestiniert, unsere Stimme mahnend für die Ächtung von Vertreibungen zu erheben.

Dieses große Heimattreffen soll auch unsere jahrzehntelange Forderung nach Realisierung des Rechts auf die Heimat unterstreichen. Wir berufen uns bei dieser Forderung auf eine entsprechende Uno-Resolution, die das Recht aller Vertriebenen, zur Heimatstätte – sprich Geburtsstätte – und zum Vermögen zurückzukehren, proklamiert und in den Rahmen des Völkerrechtes erhebt.

Ostpreußen bleibt. Dies ist das Leitwort für das diesjährige Deutschlandtreffen. Ostpreußen bleibt in unseren Herzen. Wir werden als landsmannschaftliche Gesinnungsgemeinschaft wie bisher auch weiterhin dafür werben, daß Ostpreußen im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verankert und im Geschichtsbuch der Deutschen archiviert bleibt. Ostpreußen bleibt eine unwandelbare einzigartige Region in Ostmitteleuropa. Das zivilisatorische Antlitz Ostpreußens unterliegt Schwankungen. Was Menschenhand aufgebaut hat, kann durch Menschenhand auch wieder zerstört werden. Wir haben das am Beispiel unserer Heimat erlebt. In Ostpreußen wurde viel im Krieg zerstört, aber noch mehr nach dem Krieg. Zur Zeit wird wieder aufgebaut, im nunmehr dreigeteilten Ostpreußen. Wir, die angestammten Bewohner Ostpreußens, stehen dabei nicht abseits. Ich denke zum Beispiel an die zahlreichen Kirchen in der Heimat, die bis 1945 das Landschaftsbild mitgeprägt haben. Etliche Gotteshäuser konnten wir – liebe Landsleute, durch Ihre Spenden erhalten. Die Kirchen geben Zeugnis von dem Wirken unserer Ahnen in sieben Jahrhunderten.

Ostpreußen bleibt. Auch als Bezeichnung für den früheren Ordensstaat und das spätere Herzogtum Preußen. Wir haben keine Veranlassung, vom früheren Ostpreußen zu sprechen. Wir alle wissen, daß der frühere europäische Staat Preußen untergegangen ist. Sein Erbe ist Litauern, Russen, Polen und Deutschen zugefallen. Die frühere deutsche Provinz Ostpreußen gibt es nicht mehr. Ostpreußen ist heute ein historischer Begriff, an dem wir allerdings festhalten. Mit der Beibehaltung der historischen Bezeichnung Ostpreußen für unsere Heimat stärken wir die Erkenntnis, daß unsere Wurzeln in dieser Kulturlandschaft liegen, und auch durch räumliche Trennung nicht gekappt worden sind. Mit dem Festhalten am geographischen Begriff Ostpreußen leisten wir einen Beitrag, dem unterentwickelten Geschichtsbewußtsein der jungen und mittleren Generation der Deutschen ein wenig abzuhelfen.

Weil unsere Forderung nach Realisierung des Rechts auf die Heimat immer wieder mißverständlich ausgelegt wird oder aber mit dem heute schon in der EU geltenden Recht der Freizügigkeit verwechselt wird, will ich an dieser Stelle klar definieren, was wir damit meinen. Das Recht auf die Heimat ist dann realisiert, wenn die vertriebenen Ostpreußen bzw. ihre Nachkommen als Rückwanderer im heutigen polnischen, russischen oder litauischen Teil Ostpreußens willkommen sind, und für diese Rückwanderer Minderheitenrechte nach Uno-Standard gelten. Letzteres gilt insbesondere für kulturelle Autonomie, eigene Schulen und muttersprachlichen Unterricht. Alle Rechte und Pflichten der Mehrheitsbevölkerung gelten auch für die Rückwanderer, einschließlich des Rechtes auf Erwerb und Besitz von Eigentum und Grundvermögen. Litauen ist auf diesem Sektor schon weit vorangekommen.

Liebe Landsleute, daraus wird ersichtlich, die Realisierung des Rechts auf die Heimat ist etwas anderes als das heute schon für die EU geltende Recht auf Freizügigkeit. Freizügigkeit meint ausschließlich Niederlassungsfreiheit, die für den einzelnen jederzeit widerrufen werden kann. Besondere Privilegien sind damit nicht verbunden.

Meine Damen und Herren, liebe Landsleute, eine Forderung des Bundes der Vertriebenen (BdV) und der Landsmannschaften gegenüber den Nachbarstaaten im Osten war immer auch eine Entschädigung beziehungsweise die Restitution des zurückgelassenen und konfiszierten Eigentums der Ostdeutschen. Vormalige Bundesregierungen haben diese Forderungen akzeptiert. Heute erweist es sich als Fehler, daß die Vertriebenen nicht permanent und massiv seit der Wende eine Lösung dieser Problematik angemahnt haben. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir waren gegenüber den Bundesregierungen und dem Parlament loyal und staatstragend, wir haben den Versprechungen geglaubt, daß die Politik bei passender Gelegenheit die Entschädigungsfragen im Einvernehmen mit den betroffenen Nachbarstaaten lösen werde. Geschehen ist nichts. Die Bundesregierungen haben seit 1990 den gebotenen diplomatischen Schutz und ihre Fürsorgepflicht für ihre Landsleute in der Eigentumsfrage unterlassen.

Einen Paradigmenwechsel in dieser Frage hatte Kanzler Schröder bei seinem Besuch in Warschau 2004 vorgenommen. Daraufhin hatte damals das BdV-Präsidium am 29. Januar 2004 folgenden Beschluß gefaßt. „Die Bundesrepublik Deutschland hat in keinem der völkerrechtlich bindenden Verträge mit ihren östlichen Nachbarstaaten auf die Eigentumsposition der Vertriebenen verzichtet.“ In einem einstimmig gefaßten Beschluß des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 1994 heißt es: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, über die Durchsetzung des Rückkehrrechts in die Heimat hinaus Möglichkeiten zu prüfen, wie Wiedergutmachungs- und Entschädigungsverpflichtungen der Vertreiber geregelt werden können.“

Geschehen ist nichts. Die Passivität der Regierungen bei der Regelung der offenen Vermögensfragen hat dazu geführt, daß die Preußische Treuhand als Selbsthilfeorganisation einzelner Betroffener gegründet wurde. Mit Klagen vor nationalen und internationalen Gerichten will man Eigentumsrechte in der Heimat geltend machen und eine – wie auch immer geartete – Entschädigung oder Restitution durchsetzen. Im Rechtsstaat Deutschland, im Rechtsstaat Polen, im Rechtsstaatsgebilde EU ist dies legitimes Handeln. Das muß die politische Klasse in Polen und auch in Deutschland aushalten. Die Preußische Treuhand ist eine legitime Privatinitiative, gewissermaßen eine Bürgerinitiative. Wir wollen hier festhalten, daß im pluralistisch verfaßten Staat Deutschland Bürgerengagement wünschenswert ist.

Die Landsmannschaft Ostpreußen hat die Eigentumsproblematik immer mit der erforderlichen Sensibilität behandelt. Es wäre verheerend, wenn bei Menschen in den Nachbarstaaten – vielleicht auch noch durch eine geschickte innerstaatliche Desinformation zusätzlich gefördert – Furcht aufkäme, daß sie ihre Häuser und Wohnungen für die deutschen Altbesitzer räumen müßten. Das will keiner, auch keiner der Kläger, die in der Treuhand organisiert sind.

Das Recht auf Eigentum hat in der Geschichte der Ostpreußen schon einmal zur Disposition gestanden. Das Beispiel, das ich jetzt anführe, ist hochaktuell, obwohl es schon 275 Jahre alt ist. Es geht um das Grundrecht auf Eigentum. Eigentum darf nicht entschädigungslos enteignet werden. Das wußten schon alle Fürsten und Diplomaten, die 1648 beim Westfälischen Frieden zu Münster und Osnabrück das Friedensdokument unterschrieben. Darin befand sich eine Passage, wonach Menschen, die ausgewiesen werden oder aufgrund politischen Druckes ihr Heimatland verlassen müssen, uneingeschränkt das bewegliche Eigentum mitnehmen können und für das unbewegliche Eigentum eine Entschädigung erhalten. Die Salzburger Glaubensflüchtlinge, die 1732 nach Ostpreußen kamen, konnten ihr Eigentum nicht mitnehmen. Das war vor 275 Jahren ähnlich wie bei uns, die wir 1945 auf die Flucht gingen oder später vertrieben wurden. Die Entschädigungsregelung des Westfälischen Friedens ließ es nicht zu, daß die Salzburger völlig mittellos aus der angestammten Heimat vertrieben wurden. Das wußte auch der neue Landesherr der Salzburger, der preußische König Friedrich Wilhelm I. Er führte für seine neuen Landeskinder einen Prozeß gegen den Salzburger Fürstbischof. Friedrich Wilhelm handelte nach dem biblischen Grundsatz „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“. Er gewann den Prozeß. Die nach Preußen geflüchteten Salzburger wurden für das zurückgelassene Eigentum – zu welchem Prozentsatz auch immer – entschädigt. Ich meine, das war ein Meilenstein in der Entwicklung der Grund- und Menschenrechte. Heute im 21. Jahrhundert soll das nicht mehr gelten? Polen, Tschechien und Deutschland erheben den Anspruch, Rechtsstaaten zu sein. Wie unwürdig verhalten sich diese Rechtsstaaten im Vergleich zu Preußen im Jahre 1732.

Das devote Schweigen der deutschen Regierung zu diesem Thema, gerade auch den Nachbarn im Osten gegenüber, zahlt sich nicht aus. Die Bundesregierung muß wissen, daß sie entschädigungspflichtig gegenüber ihren anspruchsberechtigten Bürgern wird, wenn sie sich nicht mit Nachdruck um eine zumutbare Lösung mit den Nachbarstaaten wegen der Eigentumsproblematik bemüht. Auch Rußland darf da nicht ausgeklammert werden.

Gestern hatte der Bundesvorstand der Landsmannschaft Ostpreußen in einer gesonderten Veranstaltung, hier auf dem Messegelände, die Konzeption der Bundesregierung zur Gedächtnisstätte für die Opfer von Flucht und Vertreibung, genannt „Sichtbares Zeichen“, thematisiert. Das „Sichtbare Zeichen“ wird den Charakter einer unselbständigen Stiftung unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums erhalten und seinen Platz in Berlin, im Deutschlandhaus finden. Kern des „Sichtbaren Zeichens“ soll die Bonner Ausstellung „Flucht, Vertreibung, Integration“ werden.

Bei den Vertriebenen der Erlebnisgeneration fand diese Ausstellung wenig Zustimmung, weil wichtige Aspekte nicht angesprochen wurden, zum Beispiel die millionenfache Massenvergewaltigung von deutschen Frauen und jungen Mädchen. Rund 80 Prozent der Ausstellung befassen sich mit dem Teilaspekt „Integration“. Dieser Teil wird als eine großartige Erfolgsgeschichte dargestellt. Das, was uns widerfahren ist, wird nur bruchstückhaft angesprochen und ist für Nachgeborene nicht erfaßbar.

In der nun vorliegenden Konzeption für das „Sichtbare Zeichen“ heißt es: „Der historische Kontext, Ursachen und Beweggründe von Flucht und Vertreibung müssen differenziert dargestellt werden. Die nationalsozialistischen Verbrechen, insbesondere in Polen und Tschechien, den anderen Ländern Ostmitteleuropas und der Sowjetunion als Voraussetzung von Flucht und Vertreibung während und nach dem Zweiten Weltkrieg, werden ausreichend dokumentiert.“

Meine Damen und Herren! Für uns alle stellt sich die Frage: Was haben die gräßlichen Verbrechen der NS-Diktatur in den östlichen Nachbarstaaten Deutschlands während des Zweiten Weltkrieges mit einer Gedächtnisstätte für die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung zu tun? Es ist unbestritten, die deutsche Gewaltherrschaft während des Zweiten Weltkriegs in den ostmitteleuropäischen Nachbarstaaten ist ausgezeichnet dokumentiert. Sie hat Eingang in jedes deutsche Schulbuch gefunden, Gedächtnisstätten zum Andenken an die Opfer sind in allen Ländern vorhanden, auch bei uns. Warum soll das alles mit dem Andenken an die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung vermengt oder aufgerechnet werden?

An einer anderen Stelle der Konzeption heißt es: „Zeitnah wird eine international besetzte wissenschaftliche Konferenz stattfinden, um die internationalen Bezüge, und insbesondere die Perspektiven und Positionen der Nachbarländer, zu diskutieren und für die konkrete Umsetzung des Konzepts nutzbar zu machen.“ Wenn wir dann noch zur Kenntnis nehmen, daß in einer Pressemitteilung der SPD-Bundestagsabgeordneten Angelika Schwall-Düren, Monika Griefahn und Markus Meckel vom 19. März zum „Sichtbaren Zeichen“ folgendes ausgesagt wird: „Die Ausstellung wird die Vertreibungen in einen historischen Kontext stellen. Ohne den von Nazi-Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg und die Vernichtungspolitik hätte es die Vertreibung nicht gegeben.“

Liebe Landsleute! Wenn wir das alles bewerten, dann besteht eigentlich kein Zweifel, wohin die Reise beim „Sichtbaren Zeichen“ geht.

Widerstand und Protest gegen die völlig einseitige monokausale Ursache-Auswirkung-Definition, wie sie von den SPD-Abgeordneten gegeben wird, ist zwingend erforderlich. Wir werden nicht zulassen, daß die historische Wahrheit über Flucht und Vertreibung der Ostpreußen, oder Ostdeutschen insgesamt, derart verkürzt und verfälscht Eingang in das „Sichtbare Zeichen“ findet. Natürlich, auch wir sind dafür, daß die Vertreibungsgeschichte der Deutschen im „Sichtbaren Zeichen“ in den historischen Gesamtzusammenhang eingebettet wird. Dazu muß man aber zurückgehen auf den Beginn des 20. Jahrhundert und nicht bei 1939 beginnen.

Wir haben dankbar registriert, lieber Herr Fromme, daß Sie in Ihrem Informationsdienst am 25. Februar eindeutig festgestellt haben: „Eine Darstellung, welche die Vertreibung ausschließlich als die Folge des von Deutschland ausgegangenen Zweiten Weltkrieges darstellt, ist unhistorisch.“ Und in einem Leserbrief in der „Pommerschen Zeitung“ am 1. März haben Sie dankenswerterweise ebenfalls gefordert, daß die Zwischenkriegszeit, zwischen 1918 und 1939, und der Geschichtsverlauf in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Eingang in die Darstellungen des „Sichtbaren Zeichens“ finden müsse. Danke, das ist völlig richtig. Das gehört zum historischen Kontext für Krieg, Flucht und Vertreibung.

Dennoch sind wir besorgt, daß in der geplanten Dokumentationsstätte Geschichtsklitterung betrieben wird. Der Bund ist alleiniger Zuwendungsgeber. Wer das Geld für eine museale Einrichtung hergibt, beansprucht in der Regel auch die Deutungshoheit über die Ausstellungsthematik. Hinzu kommt, daß in den Aufsichtsgremien des „Sichtbaren Zeichens“ Regierungsvertreter, Abgeordnete, Vertreter von den gesellschaftlichen Gruppen sowie Historiker des Auslandes einziehen sollen. Die Vertriebenen sollen ebenfalls angemessen beteiligt werden. Was heißt „angemessen“? Eine Person – hoffentlich die Präsidentin des BdV – ist keine angemessene Beteiligung. Viele Fragen sind noch offen, deshalb haben wir Grund, beunruhigt zu sein. Klar ist, was jetzt mit dem „Sichtbaren Zeichen“ kommt, ist nicht das, was die Vertriebenen mit dem „Zentrum gegen Vertreibungen“ ursprünglich wollten. Und auch das „Zentrum gegen Vertreibungen“ hat ja im Laufe der letzten acht Jahre Federn lassen müssen, damit es in der Diskussion blieb. Der erste Arbeitstitel für das Zentrum vor neun Jahren war: „Haus der 15 Millionen“. In den Gremien für die angedachte Dokumentationsstätte „Haus der 15 Millionen“ sollten die Betroffenen eine Mehrheit haben. Das alles ist vom Tisch. Klar ist aber auch, daß das „Sichtbare Zeichen“ ein Erfolg der BdV-Präsidentin und aller Vertriebenen ist. Ohne den jahrelangen Kampf der Vertriebenen für das „Zentrum gegen Vertreibungen“ wäre das „Sichtbare Zeichen“ nicht gekommen. Es liegt auch an uns Ostpreußen, ob das „Sichtbare Zeichen“ sich zu einer musealen Einrichtung entwickeln läßt, in der an die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung ohne Schuldzuweisung in Würde erinnert und darüber hinaus der kaum faßbare territoriale Verlust jahrhundertealter deutscher Siedlungs- und Kulturräume wahrheitsgemäß dokumentiert wird. Letzteres hat ohne Diskriminierung der heutigen Bewohner des historischen Ostdeutschlands zu geschehen.

Meine Damen und Herren, liebe Landsleute, es ist ja verständlich, wenn die Bundesregierung auch beim „Sichtbaren Zeichen“ ihre Politik des Brückenschlages nach Osten beibehält und mit großer Offenheit auch in den Nachbarstaaten darlegt, mit welcher Konzeption die Dokumentationsstätte errichtet wird. Aber muß das so weit gehen, daß die Konzeption in Polen eher bekannt ist als in Deutschland? Muß da nicht der Verdacht aufkommen, daß unser Nachbar im Osten den Widerstand gegen die Gedenkstätte für Vertreibungsopfer aufgegeben hat, weil die Rahmenbedingungen dafür polnischen Wünschen angepaßt wurden. Ich sage nicht, daß es so ist, aber mit mir waren viele Schicksalsgefährten konsterniert, als wir hörten, daß Kulturstaatsminister Neumann im Februar in Warschau über die Konzeption gesprochen hat, ehe dann am 18. März der Kabinettsbeschluß der Bundesregierung dazu erfolgte. Deutsche Friedenspolitik, liebe Landsleute, braucht nicht deutsche Selbstbehauptung aufzugeben. Das erwartet auch keiner unserer Nachbarn.

Ich habe bei zahlreichen polnischen Kommunalpolitikern Verständnis gefunden, wenn ich bei Reden im Ermland und in Masuren zum geplanten Zentrum gegen Vertreibungen ausgeführt habe: „Liebe Freunde, wie wir unsere Opfer von Flucht und Vertreibung gedenken, das müßt ihr uns überlassen. Das ist eine innere Angelegenheit Deutschlands. Da verbietet sich jede Einmischung von außen.“ Und hinzugefügt habe ich, daß ich mit großer innerer Bewegung in Warschau registriert habe, wie Polen seiner Opfer durch deutsche Gewaltherrschaft gedenkt. So bin ich auch im polnischen Rundfunk zitiert worden. Einen empörten Aufschrei hat es dazu nicht gegeben. Die polnische und tschechische Ablehnung des Zentrums gegen Vertreibungen wäre niemals mit solch emotionaler Heftigkeit hierzulande artikuliert worden, wenn nicht Deutsche – wie Markus Meckel, Gesine Schwan, Wolfgang Thierse oder andere ganz einseitig mit diffamierenden Argumenten gegen Frau Steinbach und den BdV die Position Polens und Tschechiens zum Zentrum vertreten hätten. Da mußte bei der polnischen politischen Klasse der Eindruck entstehen, daß mit einer langfristigen Kampagne und mit Unterstützung der deutschen Helfer die Initiative für das Vertreibungsmahnmal ausgetreten werden könne.

Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt im deutsch-polnischen Verhältnis und im deutsch-tschechischen Verhältnis. Unterschiedliche Sichtweisen für unser Verhältnis mit den Nachbarstaaten im Osten werden von Polen immer dann zu einem Sturm der Entrüstung gesteigert, wenn es hier und bei uns Menschen gibt, die die Auffassung Polens teilen und das auch lautstark äußern. Und diese Menschen finden sich bei uns immer. Sie finden sich in kleiner Zahl bei der politischen Klasse, sie finden sich bei den Medienschaffenden, und sie finden sich bei Stiftungsvorständen, die bereitwillig Finanzmittel hergeben, um die polnische Sichtweise hier in Deutschland zu publizieren. Sie finden sich auch – und nicht nur ganz selten – bei den christlichen Kirchen und ihren Nebenorganisationen.

Dazu ein Beispiel: 2005 erschien im Osnabrücker Fibre Verlag das Buch „Vertreibung und deutsch-polnische Geschichte“ von dem polnischen Historiker Jan Piskorski. Es beinhaltet eine völlig einseitige, polnische Sichtweise der Vertreibung der Ostdeutschen. Der Autor benutzt für die Vertreibung den Begriff „Exodus“, um damit zu belegen, daß die Deutschen freiwillig weggezogen, nicht aber vertrieben wurden. Für den Verfasser Piskorski übertreiben die Deutschen maßlos beim Thema Vertreibung, und er bestreitet die Zahl der vertriebenen Deutschen und der deutschen Opfer. Er rügt den Begriff der Vertreibung, da dieser fast nur unter Vertriebenen-Funktionären gebräuchlich sei. Weder die Charta der Vertriebenen von 1950 mit ihrem Verzicht auf Rache und Vergeltung noch das darin aufgeführte Recht auf die Heimat als ein Grundrecht steht nach Piskorskis Auffassung den deutschen Vertriebenen zu.

Meine Damen und Herren, Sie hören richtig. Dieses Werk ist mit finanzieller Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit sowie mit Unterstützung des deutschen Außenministeriums entstanden. Also mit Geld der deutschen Steuerzahler. Undenkbar, daß eine derartige einseitige Darstellung der deutschen Sichtweise zur Vertreibung in Polen mit Unterstützung polnischer Steuermittel erscheinen würde. Es ist ein Beispiel, aber es ist exemplarisch. Was vom Deutschen Historischen Institut aus Warschau kommt, ist nicht selten ebenso einseitig propolnisch und anti-deutsch wie verschiedene Publikationen aus dem Deutschen Polen-Institut in Darmstadt. Das sagt einiges aus über den Willen der Deutschen zur Selbstbehauptung. 

Meine Damen und Herren, niemand darf an unserem aufrechten Willen zur Verständigung, zur Freundschaft und guten Nachbarschaft mit unseren Nachbarn im Osten zweifeln. Dafür steht unser Handeln in den nun bald zwei Jahrzehnten nach der Wende. Gud-run Schmidt, frühere Redakteurin beim WDR, hat schon vor fast zehn Jahren unser Handeln in den Heimatgebieten und gegenüber den heutigen Bewohnern mit folgendem Zitat gewürdigt. „Es gibt wohl kaum eifrigere Brückenbauer zwischen dem Westen und dem europäischen Osten und Südosten als die vielen Heimatvertriebenen und Aussiedler. Wer schließt Freundschaft mit den Polen, den Tschechen, den Russen, den Rumänen? Wer engagiert sich am meisten, wenn Hilfsgüter organisiert werden sollen? Wer renoviert Kirchen, Baudenkmäler und Museen, richtet Schulen und Bibliotheken ein, stellt Wallfahrtstätten wieder her, damit Polen, Tschechen und Deutsche wieder gemeinsam singen und beten können? Und wer bezahlt das alles, zum größten Teil aus der eigenen Tasche? Es sind die Heimatvertriebenen, die in ihrer berühmten Charta bereits im Jahre 1950 auf Rache und Vergeltung verzichteten und sich stets daran hielten.“

Aber erlaubt unser ernstliches Bemühen, mit Polen und Rußland vom Gegeneinander zum Miteinander zu gelangen, erlaubt dieses Bemühen nicht, die Verletzungen, das Unrecht, den partiellen Völkermord bei Flucht und Vertreibung an Deutschen wahrheitsgemäß anzusprechen? Verbietet es das Verständigungsgebot, auch nach mehr als sechs Jahrzehnten daran zu erinnern, daß Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als ein Viertel seines östlichen Territoriums verloren hat? Diese Frage ist kein Revisionismus, wir haben den territorialen Verlust der Heimat in einem schmerzlich langen Erkenntnisprozeß akzeptieren müssen.

Darf man nicht daran erinnern, daß Polen in der Zeit von 1919 bis 1939 eine katastrophale Minderheitenpolitik betrieben hat und im Korridorgebiet in der Zeit eine Million Deutsche zur Ausreise zwang oder ausgewiesen hat. Muß man bei einem ehrlichen Dialog mit Polen und Rußland verschweigen, was den daheimgebliebenen Deutschen nach 1945, ja bis zur Wende von 1989, widerfahren ist? Und wenn von Polen immer wieder angeführt wird, daß die früheren deutschen Ostprovinzen Polen als Kompensation zugesprochen wurden, weil Polen seine Ostgebiete 1945 verloren habe, muß man dann wahrheitswidrig verschweigen, wie Polen 1920 zu diesen Ostgebieten gekommen ist? Nein, das muß man nicht verschweigen. Die Wahrheit anzusprechen, ist niemals falsch. Unsere Verständigungsbemühungen mit den Nachbarn wären unaufrichtig und letztlich auch nicht nachhaltig, wenn die Wahrheit über Flucht und Vertreibung und das Zustandekommen der Oder-Neiße-Grenze nicht wahrheitsgemäß aufgearbeitet würde. Von dem Königsberger Mediziner Julius Rupp – er war Käthe Kollwitz’ Großvater – stammt der Satz „Wer die Wahrheit kennt und nicht benennt, ist der größte Feind der Wahrheit.“

Was Europa geworden ist, das ist es durch das Kreuz und unter dem Kreuz geworden. Ein zentraler Wert des Christentums ist die Wahrheit. Man muß Wahrheit ertragen, auch Völker müssen sie ertragen, wir Deutsche haben schmerzhaft erfahren, was es heißt, Wahrheit zu ertragen, aber genauso bedeutsam ist es, den Mut zur Wahrheit zu haben. Wir müssen den Mut haben, auch für die Wahrheit beim „Sichtbaren Zeichen“ zu streiten.

Die Vertreibung der Deutschen aus ihrer angestammten Heimat in dem riesigen Ausmaß von etwa zwölf Millionen Menschen mit allen grauenvollen begleitenden Umständen ist zumindest in der europäischen Geschichte ein einmaliger Vorgang. Ihn als bloße zwangsläufige Folge der NS-Untaten abzutun oder gar als historische Strafe zu rechtfertigen ist weder historisch noch rechtlich noch moralisch vertretbar. Man kann nicht ein Unrecht durch ein anderes rechtfertigen.

Vor drei Jahren unterstellte der vormalige polnische Ministerpräsident Marcinkiewicz in einem Interview Deutschland und den Deutschen, vornehmlich den Vertriebenen, daß sie hinsichtlich der sogenannten Vertreibung süße Lügen verbreiten, anstatt die schmerzhaften Fragen der Vergangenheit wahrheitsmäßig zu klären. Daran schloß er die Forderung, die Wahrheit müsse auf den Tisch. Dies war nicht etwa nur eine polnische Einzelmeinung, sondern die Mehrheitsmeinung der politischen Klasse in Polen.

Der deutsche Historiker Dr. Michael Hartenstein nahm dazu in einem Leserbrief in der „FAZ“ Stellung. Er schrieb: „Ermutigend wäre es, wenn endlich Schluß wäre mit der regierungsamtlichen polnischen Beschönigung der Vertreibung der zehn Millionen Ostdeutschen aus Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Danzig und Ostpreußen. Die von Marcinkiewicz euphemisierend ‚Völkerbewegung‘ genannten Vertreibungen waren zudem nicht allein, wie dieser zu meinen scheint, das automatische Ergebnis eines gleichsam anonymen Krieges, sondern dahinter standen Menschen, Mächte und Interessen, die dieses Ergebnis sehen wollten und mit Gewalt durchsetzten. Die polnische Exilregierung wollte 1944 / 1945 die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze und die Vertreibung der Deutschen und verwirklichte dieses alte nationalpolnische Postulat in einer historisch einmaligen Situation im Jahre 1945 mit Hilfe anderer Mächte. Unter dem Patronat Stalins und mit Billigung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens wurde so das Kriegsopfer Polen paradoxerweise noch in der Endphase des Zweiten Weltkrieges zum Annexions- und Vertreibungstäter. Dies sind keine ‚süßen Lügen‘, dies sind die harten historischen Tatsachen, derer sich Polen in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts gerne gebrüstet hat“.

Und weiter schreibt Hartenstein: „Es ist wirklich sehr wichtig, daß die Wahrheit im deutsch-polnischen Verhältnis wieder auf den Tisch kommt. Das ,Zentrum gegen Vertreibungen‘ in Berlin könnte dazu einen wertvollen Beitrag leisten. Polen kann sich seiner Westgrenze heute völlig sicher sein. Wäre es da nicht an der Zeit, daß polnischerseits endlich damit aufgehört wird, durch Leugnung des Unrechtscharakters der Deutschenvertreibung die Würde der Opfer dieser Vertreibung ständig zu verhöhnen?“ Soweit das Zitat von Michael Har-tenstein.

Zum gleichen Sachverhalt schreibt Dr. Oliver Pagenkopf aus Berlin, ebenfalls in einem Leserbrief an die „FAZ“: „Besonders grausam gingen Rote Armee und polnische Behörden in Ostbrandenburg vor. Hier verlor ein Drittel der deutschen Bevölkerung das Leben. In Landsberg, der Geburtsstadt von Marcinkiewicz, bestand ein Speziallager für tausende Deutsche, von denen nicht die wenigsten umkamen. Das alles kommt im Weltbild des polnischen Ministerpräsidenten offensichtlich nicht vor. Er könnte bei einem Besuch im zukünftigen Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin sich informieren und dann mitwirken, daß über die deutsch-polnische Geschichte keine ‚süßen Lügen‘ mehr verbreitet werden.“

Liebe Landsleute, die Ostpreußen sind ein deutscher Stamm, der sich im Laufe der Jahrhunderte durch die Verschmelzung der Urbewohner mit den Zuwanderern unter den spezifischen Bedingungen des Landes und seiner Geschichte gebildet hat. Die Menschen, die nach Ostpreußen kamen, waren in der Mehrzahl so etwas wie Elite. Das gilt für die Glaubensflüchtlinge und das gilt für die nachgeborenen Bauernsöhne, die als Kolonisten nach Ostpreußen kamen, um auf der eigenen Scholle ihr persönliches Bedürfnis nach Freiheit zu befriedigen. Die Heimatliebe der Ostpreußen und das Erbe der ostpreußischen Urbevölkerung, der Prussen, das wir verinnerlicht haben, brachte eine starke emotionale Bindung an die Heimatprovinz mit sich. Diese Bindung zeigte sich in ganz einmaliger Weise bei der Volksabstimmung 1920. Die Heimat Ostpreußen war über alle Maßen identitätsstiftend. Deswegen gibt es diese ostpreußische Identität auch noch heute, 63 Jahre nach Beginn der gewaltsamen Massenaustreibung. Die Ostpreußen sind eine zusammenhaltende Heimatgemeinschaft, sie sind eine Schicksalsgemeinschaft, sie sind eine Gesinnungs- und Wertegemeinschaft. Das Fundament unserer Werte konnte die Zäsur von 1945 überstehen, weil uns unsere Bibeln und Gesangbücher das wichtigste Fluchtgepäck waren. Unser Wertefundament läßt es nicht zu, daß wir in vorgegebenen Strukturen denken, reden und handeln. Wir wollen nicht zu den sogenannten „Politisch Korrekten“ gehören. Wir bemühen uns immer, die so häufig von der politischen Klasse geforderte Zivilcourage zu zeigen, nicht nur dann, wenn es darum geht, verwirrte Extremisten vom rechten Rand zu bekämpfen. Wir denken nicht politisch im Sinne der politischen Klasse und des Zeitgeistes. Wir denken im Sinne der historischen Wahrheit. Wir denken im Sinne der Menschenwürde und wir denken im Sinne der freien Meinungsäußerung. Das ist für unser demokratisches Gemeinwesen wichtig. Unser Denken, Reden und Handeln basiert auf sittlich-moralischen Kategorien. Der unvergessene Immanuel Kant aus Königsberg hat uns mit seinem „Kategorischen Imperativ“ dazu den Weg gewiesen.

Es ist ja so: Die Macht der Fürsten vergangener Jahrhunderte hat heute ihre Entsprechung in der Macht der Mediengewaltigen. Guido Knopp und andere wollen uns vorschreiben, wie wir Flucht und Vertreibung, Ostpreußen, das deutsch-polnische Verhältnis in Krieg und Nachkriegszeit zu sehen und zu bewerten haben. Wer sich das nicht zu eigen macht, wird gnadenlos als Neonazi, Rechtsextremist, Ausländerfeind, Verfassungsfeind oder Antisemit diffamiert. Olaf Henkel, der frühere Präsident des BDI, hat dieses Problem schon vor einigen Jahren auf den Punkt gebracht, indem er feststelle: „In keinem Land wird eine abweichende Meinung so gnadenlos verfolgt wie in Deutschland.“

Wie recht Henkel damit hatte, haben wir Ostpreußen leidvoll erfahren müssen. Jüngstes Beispiel: Am 2. Mai brachte das ZDF in den heute-Nachrichten um 19 Uhr einen Bericht über den kurzfristig designierten Thüringer Kultusminister Peter Krause. Er wurde in die rechte Ecke gestellt, weil er vor zehn Jahren für vier Monate bei einer angeblich rechten Zeitung angestellt war, und er habe seinerzeit auch für das Ostpreußenblatt geschrieben, das ebenfalls zum rechtslastigen Spektrum zähle.

Das ist ein Schlaglicht, das blitzartig erhellt, wie es um die Meinungsfreiheit im angeblich freiesten Deutschland aller Zeiten bestellt ist.

Unsere unabhängige Wochenzeitung PAZ mit dem OB wurde nie vom Verfassungsschutz beobachtet. Ich habe während meiner Berufszeit zweimal einen Diensteid auf die Wahrung der Verfassung und aller Gesetze Deutschlands abgelegt. Die in der Landsmannschaft Ostpreußen organisierten Menschen haben entscheidend in Ost und West am Wiederaufbau unseres Vaterlandes mitgewirkt. Wir haben auch durch ehrenamtliches Engagement in einer Vielzahl von Gremien mitbewirkt, daß Deutschland gefestigte, demokratische Strukturen entwickeln konnte. Dennoch versucht man heute hier und dort, uns außerhalb des Verfassungsbogens zu stellen. Das wird uns aber den Mut zum Äußern der eigenen Meinung nicht nehmen. Merkwürdigerweise hat niemand bisher den Rücktritt von Oskar Lafontaine vom Vorsitz der Partei „Die Linke“ gefordert. Er hatte vor einigen Jahren auch ein Interview der PAZ gegeben.

Liebe Landsleute, in diesen Tagen vor 63 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Wir haben nicht vergessen, wem wir unser Überleben verdanken. Soldaten der Wehrmacht, aus Heer, Marine und Luftwaffe haben in den letzten Wochen des Krieges an der Ostfront trotz der greifbaren Niederlage heldenmütig gekämpft, um die Menschen aus Pommern, Ostpreußen, Ostbrandenburg, Westpreußen, Schlesien und Sudetenland vor der Rache der Sieger zu bewahren. Zehntausende gaben ihr Leben, damit Millionen Deutscher, vorwiegend Frauen und Kinder, Alte, Kranke und Verwundete in den Westen flüchten konnten. In diesen Tagen der Erinnerung an das blutige Ende jenes Krieges ist es uns ein besonderes Anliegen, mit Respekt und Dank ihres selbstlosen Opfers zu gedenken. Wer dem Leidensweg des deutschen Soldaten gerecht werden will, kommt um eine Gesamtbetrachtung nicht herum. Dabei leugnet niemand nachgewiesene Schandtaten einzelner. Auf die Gesamtheit bezogen sind es aber wenige. Schon gar nicht die Wehrmacht.

Ostpreußen bleibt als Erinnerung. Im vorigen Jahr gedachten wir des 275. Jahrestages der Gründung des staatlichen Gestütes Trakehnen. Einmalig, was bis 1945 in Trakehnen in der Pferdezucht geleistet wurde. Das Trakehner-Pferd wurde auf der ganzen Welt bekannt und geschätzt. Die Trakehner brachten für die ganze Provinz eine hohe und fortwährende Begeisterung für den Reitsport. Das Pferdeland Ostpreußen prägte nicht die wenigsten Menschen. Jungen und Mädchen, Frauen und Männer. Damit haben die Ostpreußen das Erbe der Prussen gemehrt. Denn schon unter der Urbevölkerung war Ostpreußen ein Pferdeland. – Deine Söhne, Land im Osten, auf der Grenzwacht letztem Posten stehend, die Hand am Sattelknauf. Daß ein jeder Reiter werde, wuchsen deine edlen Pferde auf dem Heimatboden auf. Erinnerung!

Im vorigen Jahr gedachten wir auch des 275. Jahrestages der Aufnahme der Salzburger in Ostpreußen. Es waren wertvolle Menschen, die zu ihrer Glaubensüberzeugung standen trotz Bedrohung durch Kerker, Folter, Enteignung und Tod im heimatlichen Salzburger Land. Sie haben dazu beigetragen, daß die Ostpreußen auch heute noch ihrer Meinung gewiß sind. Erinnerung!

Der wunderbare Menschenschlag, den die Haffischer verkörperten. Ihre Leitlinie: Es kommt nicht darauf an, woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt. Das galt für ihren beruflichen Alltag, wenn sie zum Fischen auf die Haffs hinausfuhren, obwohl der Wind ungünstig war. Das galt auch im übertragenen Sinne für das ganze Leben, nämlich nicht die modischen Strömungen des Zeitgeistes sind von Bedeutung, sondern die lebenslange Orientierung für das persönliche Handeln an zeitlosen Werten. Erinnerung!

Das in Ostpreußen landesweit vorhandene freie Bauerntum wurzelte fest in der heimatlichen Kulturgeschichte und liebte die eigne Scholle mit jeder Faser des Herzens. Dieser Berufsstand hatte große und nachhaltige züchterische Erfolge und er schuf die Grundlage dafür, daß Ostpreußen zur Kornkammer des deutschen Reiches werden konnte. Auch hier wird das prussische Erbe sichtbar. Seit Tacitus – so schreibt Walter Görlitz – waren die Bauernstämme der Prussen für ihren Fleiß bekannt. Sie kannten alle Getreidesorten, die Haustiere und den Anbau von Flachs.

Erinnerung! Die Prussen hatten ihre Provinz in Gaue eingeteilt. Die Namen der Gaue wurden im Bewußtsein der Ostpreußen wachgehalten. Galinden, Warmien, Barten, Natangen, Samland, Schalauen, Nadrauen und Sudauen.

Erinnerung! Die breite ostpreußische Mundart mit eigentümlich klingenden landestypischen Wörtern ist fast schon vergangene Episode. Im Preußischen Wörterbuch haben wir zwar einige tausend ostpreußische Begriffe archiviert, aber in der Umgangssprache sind sie nicht mehr präsent, wenn man von „Marjellchen“ und „Lorbaß“ absieht.

Wer kennt noch in der jungen Generation die Bedeutung von „Gnoss“ oder „Lachudder“, was sind „Schlorren“ oder „Kodder“ mit „Patscheimer“, was ist „Zagel“, „Flunsch“ und „Kujjel“. Was bedeutete „Krät“ und „Dubbas“, „Mutzkopp“, „Paudel“. Wer kennt noch die Bedeutung der Verben wie „maddern“, „priggeln“, „wurachen“, „hucken“, „hauen.“ Wer weiß noch, daß eine besondere Eigenart der ostpreußischen Mundart das Anhängen der Verkleinerungssilbe „chen“ an die Substantive war? Jungchen, Kindchen, Bengelchen, Hundchen, Pferdchen, Muttchen, aber auch Fritzchen, Hanschen, Trutchen, Elschen. waren landesweit üblich und verbreitet, und aus der Paudel wurde das Paudelchen. „Aus dir kann noch was werden, nuscht is nu all“, bekamen Kinder häufig von Lehrern und Eltern zu hören. Erinnerung!

Meine Damen und Herren, es gibt wohl nur wenige unter uns, die nach der Wende Ostpreußen nicht besucht haben. Ich war wohl zwei Dutzend mal zu Hause und habe dabei alle Regionen Ostpreußens gesehen.

Jeder Besuch führte mir erneut und schmerzend die historische Tragik vor Augen, die das deutsch-polnische Verhältnis heute kennzeichnet. Diese Tragik kann nicht durch billige Kniefälle oder heuchlerische Verdrehung der Geschichte, auch nicht durch Aufgabe deutscher Selbstbehauptung beseitigt werden. Das geht nur durch Wahrheit und taktvollen Umgang miteinander.

Das Ermland, Masuren, das Memelgebiet sind heute zwar polnisch und litauisch, aber auch Unionsgebiet der EU. Freies Reisen ohne Grenzkontrollen und Niederlassungsfreiheit in den Heimatgebieten machen die Zäsur von 1945 für die heute noch Lebenden der Erlebnisgeneration ein wenig erträglicher.

Ich will abschließend noch etwas zu Königsberg sagen. Es gibt Hoffnung für den russischen Teil Ostpreußens. Der Himmel über Königsberg klart auf. Langsam aber stetig werden die Verwüstungen der Kriegs- und der Nachkriegszeit weggeräumt. Das schließt auch die Umweltverschmutzung ein. In Königsberg selbst ist dieser Aufbauprozeß schon seit einigen Jahren zu beobachten. Doch jetzt greift er auch auf das Land über. Es gibt in der Fläche zunehmend mehr geregelte Müllabfuhr. Kulturhistorische Bausubstanz wird auch in kleineren Orten aufwendig restauriert. Die Menschen haben Arbeit und beginnen, ihr kleines persönliches Umfeld freundlicher zu gestalten. In Königsberg kann man alles kaufen. Noch haben aber die meisten Menschen nicht das Geld, vieles zu kaufen.

Die Russische Föderation investiert in ihren Vorposten an der Ostsee. Touristenzentren an der Samlandküste, der getreue Wiederaufbau des Schlosses und der Altstadt Königsbergs, die Planungen liegen auf dem Tisch, hier und da kommen die Bagger und die Baukräne. 1993 träumten einige von uns vom Hongkong an der Ostsee. Es ist aus heutiger Sicht möglich, daß dieser Traum mit 20 Jahren Verzögerung Realität wird. Diese wünschenswerte Entwicklung kann nur eintreten, wenn Frieden, Freundschaft und friedliche Zusammenarbeit für das Verhältnis der EU und Deutschlands zu Rußland bestimmende Faktoren sind. Es erfüllt uns Ostpreußen mit Sorge, daß die Nato unter dem Einfluß ihrer Führungsmacht USA die südlichen Nachbarstaaten Rußlands in das Bündnis aufnehmen will. Nato-Truppen an Rußlands Grenze? Das muß Rußland herausfordern.

Es ist unser Wunsch, daß Königsberg, auch das russische Königsberg, wieder seine Rolle einnimmt, welche die Stadt Jahrhunderte wahrgenommen hat. Sie war immer Brücke zwischen Deutschland und dem westlichen Europa hinüber und hinein in die Weiten Rußlands. Auch Rußland bis zum Ural ist Europa. Die Impulse, die Königsberg auch gerade mit der Albertina-Universität nach Rußland aussandte, trugen dazu bei, daß Rußland europäisiert wurde. Diese Brückenfunktion, das ist unser Wunsch, möge Königsberg wieder aufnehmen und zu einem Dreh- und Angelpunkt der OSZE werden. Das könnte die Politik unterstützen, wenn sie den Sitz der OSZE nach Königsberg verlegen würde.

Wir Ostpreußen appellieren hier von Berlin aus an den neuen russischen Präsidenten Dmitrij Medwedjew und an Ministerpräsident Putin. Herr Staatspräsident, Herr Ministerpräsident, bitte machen Sie Ihren Einfluß geltend, daß Königsberg seinen alten Namen wiedererhält. Und wir appellieren auch an die russische Regierung, die bürokratischen Barrieren hinsichtlich der Visaerteilung für Deutsche abzubauen. Es muß doch möglich sein, bei der Einreise nach Königsberg ein kostenpflichtiges Einreisevisum schnell und unbürokratisch beim Grenzübertritt zu erteilen.

Unsere Gedanken, Wünsche und Hoffnungen gelten Ostpreußen. Wir grüßen hier von Berlin aus unsere Heimat mit ihren so einmaligen Regionen. Die Nehrungen, das Memeldelta, den Elchwald, die Pregel-Auen, das Samland, die Haffs, Natangen, Barten, das Oberland, das Ermland, Masuren, die Johannisburger Heide, die Rominter Heide, die großen und die kleinen stehenden und fließenden Gewässer. Spirdingsee und Mauersee, Gilge und Alle. Wir denken an die großen und kleinen Orte Ostpreußens, von A wie Allenstein und Allenburg bis Z wie Zinten. Bekannte ostpreußische Stätten haben unsere Heimat weltbekannt gemacht. Königsberg, Palmnicken, Rossitten, Nidden, Trakehnen, Pillau, Tilsit, Wehlau, Gumbinnen, Lötzen, Neidenburg, Cranz und Rauschen und die Konstruktion des Oberländer Kanals.

Wir wollen uns aber nicht nur an die großen und bekannten Städte Ostpreußens erinnern, sondern auch an die Dörfer. Stellvertretend für die vielen tausend Dörfer in unserer Heimat Ostpreußen nenne ich ein gutes Dutzend Dorfnamen, die ich als Kind auswendig gelernt habe. „Niebusch, Kusse, Tulle, Unwillpiche, Plimball, Schuggere, Wanaguppchen, Kickwede, Dede, Karzamupchen, Michel, Mauschel, Dargen, Zwier, sie sind unserer Heimat Zier.“

Wir grüßen alle Menschen Ostpreußens. Unsere besondere Verbundenheit gilt der heimatverbliebenen kleinen deutschen Volksgruppe.

Unser Bekenntnis zu Ostpreußen ist unser Bekenntnis zur Freiheit der Gedanken und der Worte. Unser Bekenntnis zu Ostpreußen ist unser Bekenntnis zur geschichtlichen Wahrheit. Unser Bekenntnis zu Ostpreußen ist unser Bekenntnis zum Frieden und zur Partnerschaft mit Polen, Rußland und Litauen.

Ein Blick in den Nachlaß des deutschen Klassikers Schiller sagt uns, worauf es heute ankommt. In seinem Fragment „Deutsche Größe“ formuliert er:

Das ist nicht des Deutschen Größe
zu obsiegen mit dem Schwert.
In das Geisterreich zu dringen
um Erhabenheit zu ringen,
Vorurteile zu besiegen
männlich mit dem Wahn zu kriegen,
das ist seines Eifers wert.
Höheren Sieg hat der errungen,
der der Wahrheit Blitz geschwungen,
der die Geister selbst befreit,
Freiheit der Vernunft erfechten
heißt für alle Völker rechten,
gilt für alle Ewigkeit.

Ostpreußen Gott befohlen!

Quellen:
Video: Ostpreußen-TV, www.youtube.com/watch?v=6XAHdVgls4U;

Text und Foto:
Preußische Allgemeine Zeitung Ausgabe 21/08 vom 24.05.2008


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