Foto: Deutschlandhaus in Berlin:
Forderung nach einer Aufarbeitung, die sich an der Wahrheit orientiert

Aggression gegen Deutsche von 1919-1939
- Bedeutsame Tatsachen werden verschwiegen -
Rudi Pawelka, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien

Bekanntlich bedient sich die Konzeption der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ der Methode der Aufrechnung. Wiederholt werden Verbrechen des NS-Staates eingebaut, um sie dann in Beziehung zur Vertreibung zu setzen. Damit soll offensichtlich Verständnis  für die Vertreiber geweckt, die Vertreibung als Strafe empfunden werden. Die Deutschen bleiben das einzige aggressive Volk, das nationalsozialistische Deutschland ist die Ursache allen Übels. Die Geschichte beginnt aber nicht erst 1933 oder 1939. Für das Verständnis der damaligen Zeit, aber auch für das Verständnis des deutschen Empfindens, ist es fundamental, sich die ungerechte Behandlung durch das Versailler Diktat, aber noch mehr der Gewalt gegen Deutsche zu erinnern. Der verqueren Sicht vieler „Vergangenheitsbewältiger“ kommt entgegen, dass Deutschland seit 1933 von einem menschenverachtenden Regime regiert wurde. Der Hinweis auf völkerrechtswidriges Verhalten anderer Staaten kann deshalb kaum angesprochen werden, ohne sich den Vorwurf einer Relativierung deutschen Unrechts einzuhandeln.

Insbesondere Polens Aggressionen schufen emotionale Vorbehalte.

Heute reagiert man erstaunt, warum die Deutschen es Hitler abnahmen, polnische Soldaten hätten 1939 den deutschen Sender Gleiwitz überfallen, was dann als Kriegsgrund genommen wurde. Erstaunt kann aber nur der sein, der die Geschichte nicht kennt. Die Bevölkerung, namentlich in Oberschlesien, lebte seit Ende des 1. Weltkriegs mit polnischer Gewalt. Insbesondere der Einmarsch der polnischen Armee und polnischer Insurgenten in Oberschlesien im Mai 1921 kostete tausenden Deutschen das Leben. Auch in der Folgezeit gab es immer wieder Überfälle durch polnische Soldaten in Einzelaktionen auf deutschem Gebiet. In Grenznähe wohnende Bauern trafen nicht selten Vorbereitungen für eine schnelle Flucht. Hitler hatte deshalb leichtes Spiel, auch Gleiwitz als Überfall der Polen darzustellen. Obwohl in einer Diktatur nicht unbedingt auf die Stimmungslage des Volkes Rücksicht genommen werden muss, versichert man sich in fundamentalen Fragen doch gern der Zustimmung der Bürger. Schon der Vertrag von Versailles, den die Deutschen als Diktat empfanden, sorgte für nationale Aufwallungen. Die Kenntnis über  die Diskriminierung der Deutschen in den an Polen oder die Tschechoslowakei gefallenen Gebieten führte zu weiterer Erregung.

Auch die Vertriebenenstiftung beschönigt vor der NS-Zeit liegende Ursachen.

Die Vertriebenen hatten gehofft, dass die Zwischenkriegszeit in der Konzeption der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ an den Tatsachen orientiert gewürdigt würde. Leider werden sie enttäuscht. Es gibt viele Lehrstellen, Beschönigungen und Falschdarstellungen. Die Behauptung, es sei noch Wesentliches über die davorliegenden Ursachen eingefügt worden, ist nicht zu belegen. Soweit Probleme der deutschen Minderheiten angesprochen werden, erfolgt dies mit äußerster Zurückhaltung. Richtig  ist zwar der Hinweis, dass manchen Völkern das Recht auf Selbstbestimmung verweigert wurde und Millionen Europäer sich in neuen Staatengebilden sich nur schwer zuhause  fühlten. Dass eine Million Deutsche und mehrere hunderttausend Ungarn sich aufgrund von Diskriminierung und Repressionen oder aus dem Gefühl der Entfremdung gegenüber den neuen Staaten entschlossen, ihre Heimat in den abgetretenen Gebieten zu verlassen, ist ebenfalls richtig. Auch die Feststellung, die Deutschen seien in die neugegründete Tschechoslowakei gegen ihren Willen einbezogen worden und ihnen sei die Anerkennung als drittes Staatsvolk verweigert worden, kann nicht beanstandet werden. Zwar wird in dem Papier auch noch konzidiert, dass die deutsche Minderheit in den Anfangsjahren von der politischen Mitwirkung noch ausgeschlossen war, nach einer Phase der Mitwirkung am Aufbau des demokratischen Staates durch drei Viertel der Deutschen hätte aber die Sudetendeutsche Partei unter Konrad Henlein den Durchbruch mit der Forderung nach dem Anschluss an Deutschland erzielt. Mögen derartige Schilderungen gewisse Einblicke in die Situation der Deutschen geben, sie verschweigen jedoch die wahre Dimension und die oft grausamen Folgen für die Menschen durch den staatlichen Unterdrückungsapparat. Das Massaker an friedlich demonstrierenden Deutschen durch das tschechische Militär am 4. März 1919 bleibt genauso unerwähnt wie auch Schilderungen darüber, wie Gewalt und Diskriminierung abliefen. Die Entlassung der meisten Deutschen aus dem Staatsdienst, Gewalttaten bis hin zu Morden, sind kein Thema. Bezüglich Polen ist nur von einer Verdrängungspolitik gegenüber den Deutschen die Rede, die sich auf das Deutsche als Schulsprache auswirkte. Die Konzeption versteigt sich sogar zu der Behauptung, die deutsche Minderheit konnte sich in Presse, kulturellen Vereinen oder politischen Parteien artikulieren. Man fragt sich, warum dann eine Million von ihnen ins Deutsche Reich flüchtete. Verschwiegen werden die Pressionen gegen deutsche kulturelle Vereine, die Ausweisung ihrer aktiven Mitglieder, die Entlassung vieler tausender aus ihren Arbeitsstellen, Enteignungen, Inhaftierungen bis hin zu Morden. Wie weit die Geschichtsklitterung geht, erkennt man auch an dem Beschweigen der polnischen Kündigung des Minderheitenvertrages beim Völkerbund 1934, die Grundlage dafür war, dass Polen noch ungehemmter gegen seine Minderheiten vorgehen konnte. Im Übrigen trafen Unterdrückungsmaßnahmen auch die jüdische Minderheit in Polen, die in großer Zahl schon seit den 20er Jahren nach Deutschland geflüchtet war. Für die Verschärfung der Lage der deutschen Minderheit macht die Konzeption allerdings allein die NS-Ideologie verantwortlich, der eine verhängnisvolle Wirkung auf die ohnehin schwierige innerstaatliche Integration und die Loyalität gegenüber den neuen Staaten zugeschrieben wird.

Polens Eroberungszüge bleiben unerwähnt.

Beschönigungen betreffen auch die polnischen Aggressionen nach außen. Der polnische Einfall in Oberschlesien 1921 war kein Einzelfall. Schon 1920 überfiel Polen die Sowjetunion und Litauen. Mit französischer Hilfe erreichte Polen, dass ihm im Frieden von Riga 1920 weite Gebiete im Osten zugesprochen wurden (sogenanntes Ostpolen), in  denen lediglich eine kleinere polnische Minderheit lebte. Auch der Einmarsch Polens in das tschechische Olsagebiet 1938 und seine Annexion findet man nicht. Geradezu entschuldigend gibt es nur den Hinweis, dass es in anderen Ländern wie in Deutschland Revisionsbestrebungen gegeben habe, die teilweise in neue Kriege oder kriegsähnliche Auseinandersetzungen gemündet seien. Ross und Reiter werden zur offensichtlichen Schonung der Vertreiberstaaten nicht genannt. Wie kann die junge Generation, wie kann das Ausland ein objektives Bild über die Geschichte gewinnen, wenn die Verfehlungen der anderen und die Leiden der Deutschen nicht mehr klar benannt werden? Mit Beschönigungen und Falschdarstellungen wird man den Opfern nicht gerecht. Die Frage bleibt, warum übernehmen wir ein verqueres Geschichtsbild, warum wehren wir uns nicht gegen die Deutungshoheit der Geschichte durch unsere Gegner?

siehe dazu auch:
Die Leitgedanken stimmen nicht
- Vertriebenenstiftung missachtet Würde der Opfer -

 

Quelle:
Fotos: Archivmaterial;
Text: Pressedienst Schlesien, Kolumne, 04.02.2013,
www.schlesien-lm.de/pressedienst/2013/02%2013.htm