Pawelka zur Kritik an seiner Rede
beim Deutschlandtreffen der Schlesier in Hannover 2013

Union und SPD empört: Schlesier fordern Entschuldigung für Vertreibung
www.odfinfo.de/aktuelles/2013/Schlesiertreffen.htm

Quelle: Ostpreußen-TVOstpreußischer Rundfunk - www.youtube.com/watch?v=7mujSM_8hN4


Die Grundwerte der Landsmannschaft Schlesien
Antwort auf eine unappetitliche und amateurhafte Skandalisierung des Deutschlandtreffens
Rudi Pawelka, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft Schlesien

Die Skandalisierung des Deutschlandtreffens am 22./23. Juni hat Grundfragen nach dem Standort der Landsmannschaft Schlesien aufgeworfen. 68 Jahre nach Beginn der Vertreibung werden eine Reihe von Zielsetzungen hinterfragt, manches wird auch schon stillschweigend aufgegeben. Die Politik findet es mittlerweile generell lästig, mit offenen Fragen aus der Vertreibung konfrontiert zu werden. Man befürchtet außenpolitischen Ärger, insbesondere mit Polen und Tschechien. Früher waren es vor allem Abgeordnetenmandate, über die für eine gewisse Deckelung innerhalb der Vertriebenenverbände gesorgt wurde. Heute wird zunehmend die finanzielle Abhängigkeit von der öffentlichen Hand genutzt. Ein probates Mittel, dem sich schon viele gebeugt haben. Auch in die Landsmannschaft Schlesien hat dieser Virus Einzug gehalten, wie die Vorgänge um das Deutschlandtreffen mit dem Rücktritt von drei Funktionsträgern bewiesen haben. Es stellt sich die Frage: Sind die Vertriebenen käuflich? Oder anders formuliert: Haben wir etwa Korruption in den eigenen Reihen?

Unsere Ziele gestern und heute.

Auch wenn die Lebenswirklichkeit Veränderungen gebracht hat, die wichtigsten Satzungsaussagen haben nach wie vor Geltung und nehmen alle Mitglieder, ja sogar alle Deutschen und Europäer in die Pflicht:

- Das Selbstbestimmungsrecht
- das Recht auf die Heimat
- die Gewährung der Menschenrechte
- das Eintreten für die weltweite Ächtung des Verbrechens der Vertreibung.

Das sind universelle Werte, die von der Landsmannschaft nicht nur für die Schlesier vertreten werden. Laut unserer Satzung sind diese Grundwerte die Voraussetzung für ein friedliches und menschenwürdiges Zusammenleben der Staaten, Völker und Volksgruppen. Auch die Satzung des Bundes der Vertriebenen fordert eine Wiedergutmachung auf der Basis eines gerechten Ausgleichs. Wie man in den Staaten Rumänien, Serbien, Ungarn und anderen Teilen der Welt sehen kann, keineswegs eine Utopie.

Bei der ersten Reise der Vorsitzenden der ostdeutschen Landsmannschaften nach Warschau im Jahr 1999 erklärte ein polnischer Staatssekretär, dass die Probleme der Vertriebenen sehr wohl bekannt seien. Da sie aber von der deutschen Regierung nicht angesprochen würden, bestünde für Polen auch kein Anlass, die Sache aufzugreifen. Das heißt: Es liegt auch an der deutschen Regierung, ob ein Ausgleich gefunden werden kann und damit die Grundlage für eine dauerhafte Versöhnung. Die Vertriebenen und ihre Nachkommen müssten wenigstens das Gefühl haben, dass zumindest der Versuch unternommen wurde, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Heute versucht man es eher mit Beschimpfungen derjenigen, die auf ihr Recht hinweisen. Sogar innerhalb unserer Landsmannschaft, wie die Ereignisse rund um Hannover zeigen. Sind wir dabei, unsere eigenen Gegner zu werden? Wer kann daran ein Interesse haben?

Erinnerung als moralische Verpflichtung.

Wenn wir Vertriebenen der Erinnerungskultur mit Recht einen hohen Stellenwert einräumen, erfüllen wir damit auch den Auftrag, auf dem Boden des Rechts und der geschichtlichen Wahrheit über die Verbrechen der Vertreibung aufzuklären. Das steht nicht im Widerspruch zu Versöhnung. Im Gegenteil: Versöhnung verschweigt nicht das Unrecht, Versöhnung leugnet nicht, was geschehen ist. Versöhnung setzt die gemeinsame Anerkennung der Wahrheit, des Rechts, der Menschlichkeit voraus. Verdrängung bringt keine Versöhnung. Was bloß unter den Teppich gekehrt wird, kann immer wieder zum Vorschein kommen und Unheil anrichten. Wer verdrängt und schweigt, schafft keinen wahren Frieden, sondern nur den faulen Frieden.

Und auch das ist wahr: Würden wir schweigen, wären wir die einzige größere Opfergruppe weltweit, die das Schicksal der eigenen Landsleute geschichtsvergessen ignoriert. Erinnern bedeutet auch, immer den Blick nach vorn zu richten, daran mitzuwirken, dass sich große Menschheitsverbrechen nicht wiederholen. Wie soll es zu einer ehrlichen weltweiten Ächtung von Vertreibungen kommen, wenn die größte Vertreibung in Europa nicht als Unrecht im Bewusstsein bleibt? Wie wollen wir als Überlebende unsere Pflicht gegenüber den Opfern der Vertreibung erfüllen, wenn wir unsere Christenpflicht, ihrer in Würde zu gedenken, missachten? Ich denke insbesondere an die deutschen Zwangsarbeiter, die oft jahrelang in Todeslagern gequält wurden. Bis zu hunderttausend unschuldige Menschen verloren allein in polnischen Lagern ihr Leben, vor allem Frauen und Kinder. Es sprengt heute unsere Vorstellungskraft, dass bereits Fünfjährige eingesperrt wurden, 6-7-Jährige Zwangsarbeit leisten mussten und sogar in Zellen inhaftiert wurden. Ein solcher Bericht einer Betroffenen erreichte mich soeben und ist in dieser Ausgabe unserer „Schlesische Nachrichten“ abgedruckt. Über Martyrien dieser Art muss weiter berichtet werden, schon deshalb, damit die Opfer ihren Seelenfrieden finden und das Unrecht nachhaltig gebrandmarkt wird.

Schädliches Verhalten gegenüber der Landsmannschaft.

„Versöhnung ist ein Geschenk und meint auf keinen Fall Vergessen“, sagte Bundespräsident Gauck im März. Wir stimmen ihm zu. An Leiden zu erinnern, kann und darf der Versöhnung nicht abträglich sein. Beides gehört zwingend zusammen. Allerdings sehen dies leider nicht alle so. So warf mir der durch sein schädliches Verhalten gegen die Landsmannschaft Schlesien hinlänglich bekannte ehemalige Präsident der schlesischen Bundesdelegiertenversammlung, Prof. Michael Pietsch, Polenfeindlichkeit vor, nur weil ich einige wenige offene Probleme mit Polen angemerkt hatte. Ich frage: Was ist das für eine Versöhnung, wenn Unangenehmes nicht aufgearbeitet, sondern unter der Decke gehalten wird?

Probleme aus der Vergangenheit nicht zudecken.

Deutschland ist schuldbewusst und aktiv mit eigenen Verbrechen umgegangen und hat damit weltweit Anerkennung gefunden. Verschiedene ehemalige Vertreiberstaaten haben inzwischen nachgezogen und werden damit dem Anspruch an eine kultivierte Gesellschaft vorbildlich gerecht. In meiner Rede auf dem Deutschlandtreffen am 23. Juni habe ich auf hoffnungsvolle Ansätze auch in der Zivilgesellschaft Polens und Tschechiens hingewiesen. Wer meint, es würden nur Verhärtungen und Empörung auf der Gegenseite erzeugt, wenn über Probleme aus der Vergangenheit gesprochen wird, der springt zu kurz und dient der Versöhnung überhaupt nicht. Man muss mit Bedauern und Unverständnis feststellen: Leute wie Prof. Pietsch gefährden sogar den Frieden in den eigenen Reihen, sie tragen Unversöhnlichkeit in unsere Gemeinschaft.

Leider hörte ich von einem ehemaligen Vorstandsmitglied soeben die Ansicht, das Eintreten für die Menschenwürde und für Grundfreiheiten gehöre nicht hauptsächlich zu unseren Aufgaben, weil wir dabei von der Politik nicht mehr unterstützt würden. Diese Ansicht entspricht in höchstem Grade einer fatalen und völlig falschen Haltung. Sollen wir davon ausgehen, dass die Mittel gebende Politik uns erpresst? Wollen wir im Ernst signalisieren, dass wir käuflich sind? Wer soll noch vor uns Achtung haben, wenn wir uns für ein Linsengericht verkaufen? Wir müssten uns schämen. Und ich sage voraus: Mit einer solchen Politik, wie sie Kreise bei uns jetzt anstreben, stehen wir am Ende ohne Ehre da – und ohne Geld der Politik auch. Es gilt das Wort des französischen Diplomaten Talleyrand: „Man liebt den Verrat, aber nicht den Verräter.“

Versöhnung muss ihren angemessenen Platz haben.

Obgleich die Versöhnung nicht ausdrücklich in unsere Satzung aufgenommen ist, arbeiten wir selbstverständlich daran. Schon seit Jahrzehnten. In meiner oben erwähnten Rede war ich auf die vielfältigen Aktivitäten landsmannschaftlicher Gruppen in Schlesien und darüber hinaus eingegangen. Auf örtlicher Ebene haben insbesondere die Heimatgruppen mit ihrer Ortsbezogenheit eine wichtige Aufgabe wahrgenommen. Dieser Zusammenarbeit kommt auch das gewachsene Interesse der Polen an dem deutschen Kulturerbe entgegen. Die Kultur als Treibriemen für Verständigung und Versöhnung entspricht unserem Satzungsziel, die kulturellen Werte schlesischer Überlieferung und Geschichte an die kommenden Generationen weiterzugeben. Dies geht am besten mit den Bewohnern des Landes, den Polen und den verbliebenen Deutschen. Es geht aber auch nicht ohne die Mithilfe staatlicher Stellen oder staatlicher Einrichtungen. Sich darum zu bemühen, ist Aufgabe der deutschen und polnischen Politik. Die Führung der Landsmannschaft muss dies stetig anmahnen. Das dient der ehrlichen und dauerhaften Versöhnung.

Es gilt, die Satzungsziele zeitgemäß mit der praktischen Arbeit zu verbinden. Ein geistiger Überbau, orientiert an den demokratischen Werten und denen des Menschenrechts, ist unverzichtbar. Fleißige kulturelle und verbandliche Alltagsarbeit allein ist kein ausreichendes Fundament. Zwar gelingt es einzelnen Gruppen, Menschen neu für Schlesien zu begeistern, wenn sie ihnen das Land zeigen, gleichwohl ist der Mitgliederzuwachs dadurch bescheiden. Ein Landesvorsitzender, der dies als Haupttätigkeit propagiert, hat leider seit Jahren den größten Mitgliederverlust. Junge Leute und andere Nichtmitglieder interessieren sich selbstverständlich auch für Menschenrechte und geschichtliche Wahrheit und werden deshalb Mitglied. Den bisherigen Mitgliedern ist dies auch ein besonderes Anliegen, das sie in unserer Gemeinschaft verbleiben lässt. Es bleibt ohnehin die drängende Frage, wie die Landsmannschaft überleben soll, wenn die Erlebnisgeneration mit ihrer emotionalen Bindung an ihren Geburtsort abgetreten ist. Mit Aufgabe unserer grundlegenden Werte schaffen wir das nicht. Wir müssen unsere Fundamente sichern – und nicht unterminieren.

Herabwürdigung eigener Anhänger.

Gar nicht akzeptabel ist es, die eigenen Mitglieder herabzuwürdigen, wie dies gerade ein ehemaliger stellvertretender Bundesvorsitzender in einem Papier getan hat. Er nannte den Beifall, der für meine Ausführungen gespendet wurde und wird, einen Beifall von traumatisierten und enttäuschten Vertriebenen, die, wenn schon ohnmächtig, eine kleine Genugtuung empfänden, wenn wenigstens allen „Schurken“ ihr Unrecht oder Versäumnisse vorgehalten würden. Sind es wirklich diese Primitivinstinkte, aus denen sich der Beifall speist? Gibt es nicht auch das Empfinden für Gerechtigkeit oder für konkrete Benachteiligungen, die angemahnt werden müssen? Gibt es nicht Beifall für Zukunftsvisionen? Während meiner Reden beim Deutschlandtreffen brandete jedenfalls immer dann großer Beifall auf, wenn ich von Zusammenarbeit und Versöhnung sprach. Alles überhört? Warum? Was ist die Absicht?

Skandalisierung des Deutschlandtreffens trifft alle Schlesier.

Mit seinen falschen Aussagen über meine angebliche Polenfeindlichkeit und darüber, dass meine Reden „in keinster Weise dem Anliegen der Versöhnung dienen würden“, hatte Prof. Pietsch meine Hinrichtung versucht. Ohne meine Rede vom 23. Juni zu kennen, erlagen Innenminister und Landtagspräsident solchen Einflüsterungen und sagten ihr Kommen beim Deutschlandtreffen ab. Dass auf diese Weise unsere eigenen Leute die ganze Veranstaltung öffentlich skandalisiert und torpediert haben, ist in höchstem Maße amateurhaft und ohne Weitsicht. Es ist egoistisch und verwerflich.

Was soll man von einem Verband noch halten, in dem solche Methoden angewandt werden? Mit mir sollte ein noch nicht mundtot gemachter Vertriebenenvertreter auf eine unappetitliche Weise aus dem Weg geräumt werden, um damit auch gleich wichtige Satzungsanliegen aus dem Blick zu nehmen. Es gibt zwar in Parteien und Verbänden immer wieder Richtungsstreitereien, jedoch werden diese professionell ausgetragen, ohne den eigenen Verein zu ruinieren. Soll das bei uns anders sein?

Landsmannschaft als Objekt eines Machtkampfes.

Bleibt noch anzumerken, dass Pietsch schon einen Tag nach unserem Treffen in Hannover den nächsten Versuch startete, der Landsmannschaft zu schaden. Er ist als Vizepräsident von Haus Schlesien mit verantwortlich für die fristlose Kündigung der Geschäftsräume der Landsmannschaft in dieser Einrichtung. Schon zwei Tage vor unserem Treffen berichtete Pietsch dem Präsidenten des Hauses, Reinhard Blaschke, über meine angeblich beabsichtigten Reden. Blaschke teilte mir daraufhin schriftlich mit, dass diese Reden von der Niedersächsischen Landesregierung nicht gebilligt würden. Er forderte mich deshalb auf, meine Reden „nach den Maßstäben der heutigen politischen Meinungen der staatstragenden Parteien auszurichten.“ Er bat mich weiterhin, ihm einen von der (rotgrünen) Niedersächsischen Landesregierung genehmigten Redetext zuzusenden, damit Haus Schlesien über die eigene Teilnahme am Deutschlandtreffen entscheiden könne. Ein inszeniertes Zensur-Trauerspiel, das in der Demokratie nichts zu suchen hat und beispiellos ist.

Was bedeuten diese unglaublichen Vorgänge? Entmutigung oder Anreiz für noch mehr Engagement? Klar ist: Ungerechtfertigte Angriffe und Ignoranz, beschämende Akte der Selbstaufgabe und der Keim von Korruption können nicht die Maßstäbe sein, von denen sich ein über 60 Jahre bestehender Verband leiten lassen darf. Treulosigkeit ließe die Gründer sich im Grabe umdrehen. Denn sie schadet dem Recht, der Selbstachtung und der ehrlichen Versöhnung.
 

Quellen:
Fotos: Archivmaterial;
Text: Pressedienst Schlesien, Grundwerte, 05.08.2013,
http://www.schlesien-lm.de/pressedienst/2013/10%2013.htm