Berichte vom
Deutschlandtreffen der Ostpreußen
− Ostpreußen bleibt −
Messe Berlin - 10. und 11. Mai 2008
Bayern steht zu
Ostpreußen
Auszüge der Rede von Christa Stewens
Zum
Deutschlandtreffen der Ostpreußen rufe ich Ihnen ein herzliches Grüß Gott aus Bayern
zu! Ich freue mich, Ihnen die herzlichen Grüße der Bayerischen Staatsregierung,
allen voran die unseres Ministerpräsidenten Dr. Günther Beckstein, überbringen zu
dürfen. Der Bayerische Ministerpräsident spricht traditionell in dieser Stunde zu
den Sudetendeutschen. Die Stellvertretende Ministerpräsidentin spricht heute zu
Ihnen. Als Herr v. Gottberg im jüngsten unserer regelmäßigen Gespräche die Bitte
an mich herantrug, an Ihrem heutigen Treffen teilzunehmen, habe ich sofort Ja gesagt.
Die Bayerische Staatsregierung bekennt sich zu den Ostpreußen!
Der Freistaat Bayern ist das älteste gewachsene Land
Deutschlands. Wir haben unsere Tradition und Identität bewahrt – und mit ihnen den
unverkürzten Blick auf historische und kulturelle Zusammenhänge. In allen Wechselfällen
der Nachkriegszeit war für uns die Kultur und Geschichte aller Deutschen die gemeinsame
Klammer unserer Nation. So wird es bleiben. Auch um das zu bekräftigen, bin ich
bei Ihnen. Dieses Deutschlandtreffen steht im Zeichen zweier Jubiläen. Vor 60 Jahren
wurde die Landsmannschaft Ostpreußen gegründet. Nicht immer hat man derartige Zusammenschlüsse
fair behandelt. Deswegen muß man betonen: Das Wirken der Landsmannschaften ist ein
untrennbarer Teil der Geschichte unseres Landes. Es waren die Landsmannschaften,
die nach dem Krieg Millionen Vertriebene durch Zusammenführung und Betreuung vor
dem Absturz in Isolation und Hoffnungslosigkeit bewahrt haben. Sie haben ihren Landsleuten
in bedrängter Zeit Beistand, Orientierung und Geborgenheit vermittelt. Für die Entfaltung
unserer Demokratie ohne innere Krisen war das ein entscheidender Beitrag. Mehr noch,
unser Rechtsstaat verdankt dem Eintreten der Landsmannschaften wie der Ihren für
die Menschenrechte und gegen Rechtsverwirrung dauerhafte Impulse und bleibende Mahnung.
Vergessen wir nicht, daß die Charta
der Vertriebenen, jenes in allen Ausführungen zukunftsweisende Dokument aus
dem Jahr 1950, auf dem Boden landsmannschaftlichen Handelns zustande kam! Sie haben
nicht nur entscheidend am Wiederaufbau Deutschlands mitgewirkt. Sie haben auch in
allen Wechselfällen der Nachkriegsgeschichte unbeirrt an der Einheit der deutschen
Nation festgehalten. Kein Ort ist geeigneter als die deutsche Hauptstadt, Ihnen,
meine sehr geehrten Damen und Herren, hierfür Respekt und Dankbarkeit zu bezeugen.
Sie haben Anspruch auf die Solidarität aller Deutschen! Bayern steht zu den Ostpreußen!
Damit bin ich beim zweiten Jubiläum. Vor 30 Jahren
hat die Bayerische Staatsregierung die Patenschaft für die Ostpreußen übernommen.
Von Ministerpräsident Goppel vollzogen, von Franz-Josef Strauß über Edmund Stoiber
bis Günther Beckstein mit Leben erfüllt, haben wir es mit einem Obhutsverhältnis
zu tun, das uns dauerhafte Verpflichtung ist. Wir werden diese Patenschaft deshalb
auch mit einem Festakt in der Münchner Residenz würdigen. Unsere Verbundenheit mit
den Ostpreußen geht auf die „vielfältigen jahrhundertealten historischen und kulturellen
Bindungen zwischen Bayern und Ostpreußen“ zurück, wie es in der bayerischen Patenschaftsurkunde
heißt. Seit Siegfried von Feuchtwangen 1309 die Hochmeisterresidenz des Deutschen
Ordens von Venedig in die Marienburg verlegte, spielten in Ostpreußen bayerische
Geschlechter eine maßgebliche Rolle. Von den 34 Hochmeistern des Ordens kam fast
jeder zweite aus Bayern, Franken und Schwaben. 1525 hat der letzte Hochmeister,
Albrecht von Brandenburg-Ansbach, den Ordensstaat in das weltliche Herzogtum Preußen
umgewandelt. Unvergessen bleibt die „Münchner Ostpreußenhilfe“, der älteste landsmannschaftliche
Zusammenschluß ostpreußischer Bürgerinnen und Bürger in Bayern aus dem Jahr 1915
...In dieser Tradition steht unsere 1978 begründete Patenschaft. Mittelpunkt der
ostpreußischen Kulturarbeit in Bayern ist das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen.
Diese Einrichtung im beeindruckenden Schloß des Deutschen Ordens ist ein Kind Ihrer
Landsmannschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das Zentrum hat sich zu einer
leistungsstarken Einrichtung entwickelt, die intensive Arbeitskontakte zu polnischen,
russischen und litauischen Einrichtungen unter anderem in Allenstein, Königsberg
und Memel unterhält ... Das zusammenwachsende Europa – und besonders seine Mitte
– werden noch längere Zeit eine Phase der Selbstfindung durchlaufen. Diese beginnt
naturgemäß beim Eigenen. Auch wir Deutschen haben Anlaß, uns darüber klar zu werden,
wie wir verantwortlich mit den großen Einschnitten des Jahres 1945 umgehen: mit
der kollektiven Enteignung und Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus dem damaligen
deutschen Staatsgebiet, aber auch aus ihrer Heimat in den angrenzenden und übrigen
Gebieten sowie mit dem Verlust des gesamten Kulturbesitzes in Ost- und Westpreußen,
Ostbrandenburg, Schlesien und Pommern. Namen wie Kant, Balthasar Neumann, Eichendorff,
Caspar David Friedrich, Schopenhauer oder Gustav Mahler stehen für unwiederbringliche
kulturelle Kraftfelder unseres Volkes ... Hier ist unsere Identität berührt, und
wir müssen bewahren, was dort seinen Ursprung hatte. Es gibt nun einmal keine Vertreibung,
die sich gleichzeitig um die Pflege der Hinterlassenschaft sorgt. Aber darum geht
es. Was also haben wir, was hat Europa zu tun?
... Jedes Volk muß seine europäischen Wurzeln pflegen.
Wo vertrieben wurde, bedarf es besonderer Anstrengungen. Daher darf die Vergegenwärtigung
unseres nationalen Kulturerbes im Osten kein Nischendasein fristen! Nehmen wir den
gesetzlichen Auftrag ernst. In Deutschland, wo so viele Millionen Vertriebene leben,
ist der Kulturparagraph 96 des
Bundesvertriebenengesetzes
die letzte Klammer, die mit tausend Jahren Kultur und Geschichte unseres Volkes
im Osten Verbindung hält. Vermitteln wir selbstbewußt und der Wahrhaftigkeit verpflichtet
den gewaltigen Beitrag der Deutschen aus dem Osten zur deutschen und europäischen
Kultur und Geschichte! ... Von Preußen müssen wir wieder lernen, in langfristigen
Dimensionen zu denken und dabei zielorientiert zu handeln. Preußen existiert in
uns fort. Sein Territorium ist heute aufgeteilt unter Litauen, Rußland, Polen und
Deutschland. Gemeinsam stehen sie in Verantwortung für ein lebendiges Vermächtnis.
Daran zu erinnern und dafür zu werben, werden wir in Bayern nicht nachlassen. Die
erste Verpflichtung aber liegt bei uns Deutschen selbst. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ausschnitt aus
der Ansprache von Christa Stewens (CSU),
Deutschlandtreffen der Ostpreußen, Berlin 2008