Die Siegesmeldung des Fürsten Karl Philipp zu Schwarzenberg an die verbündeten Monarchen
Kaiser Franz I. von Österreich, Zar Alexander I. und König Friedrich Wilhelm III. von Preußen
in der Völkerschlacht bei Leipzig: Ölgemälde von Johann Peter Krafft aus dem Jahre 1817.

»Wir nahen dem großen Tag des Weltgerichts«
Vor 200 Jahren brachte die Völkerschlacht bei Leipzig eine militärische Vorentscheidung in den Befreiungskriegen
von Heinz Magenheimer

Nachdem Österreich den preußischen Seitenwechsel nachvollzogen hatte, stand das napoleonische Frankreich erstmals einer Koalition aller vier übrigen Großmächte Europas gegenüber. Dieser politischen Vorentscheidung des Sommers 1813 folgte im Herbst mit der Völkerschlacht bei Leipzig die militärische.

Anfang Oktober 1813 trat der Feldzug der Verbündeten gegen Napoleon in sein entscheidendes Stadium. General Gebhard Leberecht von Blücher hatte nach seinem Sieg an der Katzbach eine weiträumige Bewegung nach Westen begonnen und fand Anschluss an die „Nordarmee“ unter dem Kronprinzen von Schweden. Bei Halle an der Saale stellte er sich zum Angriff bereit. Nachdem General Ludwig von Yorck am 3. Oktober den Übergang über die Elbe bei Wartenburg erzwungen hatte und als auch die Hauptarmee unter Feldmarschall Karl Philipp Fürst zu Schwarzenberg von Süden her heranrückte, zeichnete sich die Einkreisung der Franzosen im Raum Leipzig ab. Bonaparte zögerte mit dem Gegenschlag, dann entschloss er sich, mit seiner Hauptmacht die Armee Schwarzenbergs anzugreifen, während drei Korps ihm den Rücken freihalten sollten. Gelänge dies nicht, säße er in der Falle. Die Alliierten boten gemeinsam fast 300.000 Mann auf. Der österreichische Außenmister Klemens Wenzel Lothar von Metternich schrieb bereits siegessicher nach Wien: „Wir nahen dem großen Tag des Weltgerichts.“

Napoleon trifft am 14. Oktober bei kaltem, stürmischem Wetter in Leipzig ein, das mit Truppen überfüllt ist. Am nächsten Tag trifft er seine Dispositionen. Das IV. Korps soll bei Lindenau westlich der Stadt den Rückzugsweg offenhalten. Im Nordwesten hat das VI. Korps des Marschalls Auguste Frédéric Louis Viesse de Marmont den Auftrag, Blücher entgegenzutreten, und das III. Korps unter Marschall Michel Ney steht in Reserve. Insgesamt verfügt Bonaparte über 175.000 Mann und 700 Geschütze. Da er nicht mit dem Angriff Blüchers rechnet, plant er, die drei besagten Korps nach Süden heranzuziehen, wo er bereits 130.000 Mann konzentriert hat. Falls der Plan aufgeht, wäre ihm der Sieg sicher.

Schwarzenbergs Hauptarmee zählt zwar 133.000 Mann, ist aber dem Kaiser im Zentrum unterlegen. Er stellt den Franzosen frontal nur drei Korps entgegen, konzentriert dafür westlich der Pleiße starke Truppen unter Maximilian Friedrich Graf von Merveldt mit dem Auftrag, den Fluss bei Connewitz zu überschreiten und dem Gegner in die Flanke zu fallen. Doch das dortige Gelände ist für einen Angriff schlecht geeignet. Erst nach Intervention von Zar Alexander verlegt Schwarzenberg Truppen ins bedrohte Zentrum. Blücher erhält Befehl, über Schkeuditz auf Leipzig vorzustoßen.

Am 16. Oktober, einem kalten, regnerischen Morgen, treten die drei Korps im Zentrum unter dem Befehl des Generals Ludwig Adolf Peter zu Sayn-Wittgenstein zum Angriff auf Markkleeberg, Wachau und Liebertwolkwitz an. Markkleeberg kann zwar erobert werden, doch überall sonst halten die Franzosen stand. Napoleon leitet vom Galgenberg aus die Schlacht. Ihm gegenüber beziehen der Zar und der König von Preußen auf dem Wachtberg hinter Gülden-Gossa Position.

Der Angriff des Korps Merveldt westlich der Pleiße kommt auf dem tiefen Boden nicht voran und erleidet hohe Verluste. Die eigene Artillerie bleibt im Morast stecken. Die gegenüberstehenden Polen unter Fürst Józef Antoni Poniatowski verteidigen erfolgreich. Merveldt gerät beim Versuch, den Fluss zu überschreiten, bei Connewitz in Gefangenschaft.

Auch im Zentrum gewinnen die Franzosen die Oberhand. Gegen 14 Uhr setzt ein Kavalleriekorps zur Umfassung an, kann aber von den Kosaken des Grafen Matweij Platow abgefangen werden. Bonaparte lässt das starke V. Korps zum Stoß nach Süden antreten und den Artilleriebeschuss steigern. Gerade noch rechtzeitig rückt ein russisches Grenadierkorps in die vordere Linie ein. Napoleon ist verärgert, dass der Gegner wider Erwarten noch immer standhält. Gegen 15 Uhr befiehlt er Marschall Joachim Murat, mit der Kavallerie den Durchbruch zu erzwingen. Doch wo bleiben die Verstärkungen aus dem Norden, die längst zur Stelle sein sollten?

Blücher ist am frühen Morgen aufgebrochen. Das Korps Yorck stößt nordwestlich von Möckern auf das VI. Korps Marmonts, das nach Süden abmarschieren will, aber nun den Kampf aufnimmt. In einem mehrstündigen, ungemein erbitterten Gefecht erobern die Bataillone Yorcks das Dorf. Schließlich bringt eine Kavallerieattacke, bei der sich Major Friedrich von Sohr auszeichnet, den Sieg. Marmonts Korps ist aufgerieben.

Inzwischen setzt Bonaparte alles auf eine Karte: Er wirft Murat mit 8.000 Reitern in mehreren Attacken gegen Gülden-Gossa. Schon preschen einige Schwadronen den Wachtberg hinauf, und die Monarchen müssen sich in Sicherheit bringen. Doch das Eingreifen der Leibkosaken und anderer Reserven verhindert den Durchbruch. Bei sinkender Nacht wagt Napoleon mit der Garde noch einen Angriff gegen Gülden-Gossa, der ebenfalls zusammenbricht.

Damit ist nördlich und südlich von Leipzig die Vorentscheidung gefallen. Bonaparte will aber nicht als Besiegter das Schlachtfeld räumen. Er macht Friedensvorschläge, doch die Antwort bleibt aus. Am 18. Oktober setzen die Verbündeten nach Eintreffen ihrer Reserven den Angriff konzentrisch fort. Napoleon verteidigt verbissen seine Stellungen, besonders bei Probstheida. Doch um die Mittagszeit ist der Ring geschlossen. Schon laufen sächsische und württembergische Regimenter zu den Verbündeten über. Die Preußen und Russen der Nordarmee verengen den Ring von Osten und werfen die Franzosen auf Leipzig zurück. Dem IV. Korps Henri-Gratien Bertrands ist es aber im Westen gelungen, die Straße nach Weißenfels freizukämpfen, und er beginnt mit dem Abzug, ohne dass Schwarzenberg eingreift.

Am frühen Abend gibt Bonaparte die Schlacht verloren und befiehlt den Rückzug. Während der Nacht quälen sich 120.000 Mann mit ihren Pferden und Waffen durch die Gassen Leipzigs. Am nächsten Morgen beginnt der Sturm auf die Stadt, die von Nachhuten verteidigt wird. Um die Mittagszeit ist Leipzig erobert. Während die Monarchen als Sieger einziehen, wälzen sich Tausende von Franzosen entlang des einzigen Fluchtweges, der die Elster auf einer Schiffsbrücke überquert, in Richtung Westen. Durch eine Unbesonnenheit wird die Brücke gesprengt, und Hunderte von Fliehenden, darunter auch Fürst Poniatowski, finden den Tod.

Die Verbündeten verloren 53.000 Mann, die Franzosen zählten an die 60.000 Gefallene, Gefangene und Deserteure, dazu noch Tausende von Verwundeten, die in Leipzig zurückblieben. Wenn auch Napoleon nicht endgültig besiegt war, hatte die Schlacht umwälzende Folgen. Bonapartes Herrschaft östlich des Rheins brach zusammen, und viele Patrioten hofften auf eine Friedensordnung, die dem Volkswillen entsprach. Nun stand die europäische Diplomatie vor einer gewaltigen Herausforderung.

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt, Ausgabe 41/13, 12.10.2013