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Giesche, Kattowitz
Ebay-Bieter wollen polnische Stadt übernehmen
WARSCHAU
- Panik ist in der
polnischen Regierung ausgebrochen. Der Geheimdienst ABW in Aktion. Die
Geschichte hat wieder einmal die Gegenwart eingeholt. Dieses Mal in Form von
Aktien aus der Vorkriegszeit, deren heutige Besitzer, durch clevere Anwälte
vertreten, Milliardenwerte in Polen reaktivieren wollen.
Während zur Zeit der
Inlandsgeheimdienst versucht die Anspruchssteller als Betrüger zu entlarven, sind
diese dabei alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen, Grundbuchämter und Behörden
dazu zu zwingen, nie gelöschte Einträge aufzufrischen. Speziell im jetztigen
Fall handelt es sich um Ansprüche auf ein gewaltiges Immobilien-Vermögen in Katowice (Kattowitz
/ Ost-Oberschlesien), welches bis zum letzten Weltkrieg größtenteils im Besitz
von Georg Giesches Erben war, einem deutschen Unternehmer, der bereits im 17.
Jahrhundert den Grundstein zu einem der größten Industrie-Unternehmen in Europa
legte.
Der Streit um die Giesche-Ansprüche, zwischen den Inhabern von über 99 % der
Alt-Aktien an dem Vorkriegsunternehmen und polnischen Behörden, hatte ein
erstes Vorspiel bereits vor über 10 Jahren. Eine Gruppe von "Sammlern" hatte
angeblich in Auktionen bei Ebay und anderen Versteigerern für kleines Geld die
meisten Anteilscheine des früheren Kattowitzer Industrie-Giganten erwerben
können. Im Jahre 2005 meldete sie die "Giesche S.A." im pommerschen Gdynia
(Gedingen / Gotenhafen, Westpreußen) an
und beschlossen in einer ersten Aktionärsversammlung eine Kapitalerhöhung. Als
Besitz des Unternehmens deklarierte man Eigentumsrechte an Hunderten Hektar
Stadtgebiet, inklusive Immobilien, in der Schlesischen Industriemetropole
Kattowitz. Alsdann begannen Rechtsanwaltskanzleien die Reprivatisierung des
längst vergessenen Unternehmens anzutreiben.
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Giesche-Grube, Hulda-Richthofen-Schacht, 1900/1930
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Den Schock seines Lebens bekam der Stadtpräsident von Katowice, Piotr Uszok, als
vor einigen Jahren während einer Veranstaltung ein Mann auf ihn zukam,
behauptete von einer Firma Giesche zu sein, und die Frage stellte wann man denn
über die Rückgabe von historischen Immobilienbesitz seines Unternehmens sprechen
könne. Zurück im Amt liess Uszok umgehend die Grundbücher der Stadt nach "Gieches"
durchsuchen und bekam den nächsten Schock, auf mehr als einem Drittel des
Stadtbereiches und ausgerechnet in den besten Lagen, war die frühere Gieche S.A.
als Eigentümer eingetragen. Stadtpräsident Uszok geriet in Panik und informierte
die Staatsanwaltschaft, Politiker, den Geheimdienst und die Medien. Die Besitzer
der neuen Giesche SA begannen damit die Rückführung des "Eigentums" vor mehreren
Gerichten zu verlangen und setzten sogar ihre Einbeziehung in
Straßenbauprojekte der Stadt durch, welche auch Giesche Flächen betrafen.

Die lokalen Behörden waren davon überzeugt, dass die Giesche S.A. in Schlesien
längst liquidiert gewesen sei. Dies war aber offenbar nicht der Fall, obwohl die
Gesellschaft 1946 als deutsche Firma anerkannt und ohne Entschädigungen
verstaatlicht worden war. Die jetzigen Anspruchsteller baten deshalb das
Wirtschaftsministerium in Warschau um eine Nichtigerklärung der Entscheidung zur
Verstaatlichung des Eigentums. Bei einer positiven Entscheidung muss sich auch
das verlorene Vermögen der Giesche S.A. wiederbeleben. Dies könnte im Ergebnis
nicht nur der Stadt Katowice (Kattowitz / Ost-Obrschlesien) herbe Verluste bringen, sondern auch als
Präzidenzfall für unzählige ähnlich gelagerte Fälle dienen, welche dem
polnischen Staat Dutzende Milliarden kosten könnten.
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Giesche-Grube, Nickisch-Schacht Gasthaus
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Der ABW will bereits herausgefunden haben, dass die Anteilscheine der Giesche
S.A. Ende der 80er Jahre unter noch ungeklärten Umständen in Antiquariaten, auf
Basaren und bei Sammlern aufgetaucht waren. Die Ermittler untersuchen nun, wo
die Aktien früher aufbewahrt wurden, als der Staat oder wer auch immer die
Kontrolle über sie verlor. Vor dem Krieg gehörten zur Giesche-Gesellschaft auch
gewaltige Industriebetriebe und Minen. Später kümmerte sich keiner mehr um
Eigentumsfragen. Die Sowjets wollten Hitlers Tausendjähriges Reich für ihre
Zwecke umsetzen, was war da noch ein Handelsregister aus Vorkriegszeiten wert.
Womöglich sind die Aktien einfach im Altpapier gelandet, oder jemand hat sie im
Finanzministerium mitgehen lassen, also einem der Plätze wo in Wendezeiten so
manch ein Stasi-"Geschäftsmann" zum Millionär oder gar Milliardär gebacken
worden sein könnte.
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Giesche-Grube, Verwaltungsgebäude Nickisch-Schacht
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Eine Giesche-Aktie konnte man vor ein paar
Jahren für um die 20 Euro erwerben. Ihr Wert steigt seitdem parallel zu den
juristischen Erfolgen der "neuen Betreiber" dieses Unternehmens. 225.00 Euro wollen aktuell
Ebay-Verkäufer und ein
Leipziger Antiquariat für eine Giesche-Alt-Aktie haben. Vielleicht lohnt es sich
ja so etwas zu kaufen .....

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weitere Informationen:
14.01.2010: Gebt Kattowitz zurück
www.polityka.pl/swiat/politykaaufdeutsch/1502289,1,gebt-kattowitz-zurck.read;
13.11.2009: Gebt Kattowitz zurück
http://www.de-pl.info/de/page.php/article/1872;
Georg von Giesches Erben
http://wapedia.mobi/de/Georg_von_Giesches_Erben;
Biographie: Georg v. Giesche 1653-1716
www.rathay-biographien.de/persoenlichkeiten/G/Giesche_Georg_v/giesche_georg_v.htm
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